Jahresrückblick – Handeln unter Ungewissheit
Das Jahr 2019 neigt sich dem Ende zu. Zeit für einen Jahresrückblick und eine wertschätzende Reflexion auch zum Aspekt „Handeln unter Ungewissheit“.
„The same procedure as every year?“
Nein! Für mich ist jedes Jahr anders. Und dieses zurückliegende Jahr war schon ein besonderes, durch verschiedene, tiefer gehende Ereignisse. Gerade weil es diese Unterschiede im Leben gibt, entwickeln wir uns ja weiter. Bei meinem Jahresrückblick sind für mich die Fragen des Sinns, der inneren Grundhaltung und nach den eigenen Ressourcen in den Fokus gerückt.
Gestartet bin ich ins Jahr 2019 mit vielen Plänen und Vorstellungen. Doch bereits am Anfang des damals noch jungen Jahres zeichnete sich eine einschneidende Veränderung ab. Und es kam im Sommer noch dicker. Denn mein Mann war schwer erkrankt. Das Thema „Endlichkeit“ wurde für uns spürbar!
Es wurden immer mehr Pläne über den Haufen geworfen. Auf einmal waren enorme Flexibilität und Anpassung gefordert. Von meinen ursprünglichen Visionen blieb nicht mehr viel übrig. Vielmehr fühlte ich mich gefordert, immer wieder unter Ungewissheit zu handeln. Zugleich hieß es auch, einen guten Umgang mit den eigenen Ängsten zu finden.
Manche Menschen waren erstaunt, dass ich trotz der extremen Herausforderung noch arbeitete. Und das, obwohl ich über Wochen gefühlt mehr auf der Autobahn zwischen Bielefeld und Berlin unterwegs war. Viele Stunden verbrachte ich im Krankenhaus und allein im Hotel. Keine schöne Zeit. Zu arbeiten war für mich ein Schritt aus dem Ausnahmezustand heraus in die Normalität. Das tat gut!
Wieso schreibe ich das?! Gerne möchte allen Menschen Mut machen, dass auch die unwegsamsten Situationen vorüber gehen. Sich auf ein „höheres“ Ziel zu konzentrieren, motiviert und gibt Kraft! Sich von unterstützenden Menschen begleitet zu wissen, ist Balsam für die Seele! Danken möchte ich auch an dieser Stelle all jenen, die für mich da waren – meine Kinder, die weitere Familie, gute Freunde und ein paar Schwestern und Ärzte.
Viele ermunternde Worte haben mich damals erreicht. Die mitfühlenden Gespräche hatten eine positive Wirkung. Die Besuche, Telefonate, Fotos, Nachrichten und andere Beiträge haben in den schweren Stunden die Vorfreude auf andere und leichtere Zeiten geweckt. Ja es tat einfach gut, fernab der Heimat am Leben anderer Menschen teilzunehmen und mich mit Ihnen über die schönen Dinge des Lebens zu freuen. Auch meinem Mann möchte ich von Herzen danken für all das, was er mir schon früher gegeben hat und nach seiner Genesung trotz bleibender Beeinträchtigung zurück gibt an Unterstützung.
Mitteilen möchte ich, wie wichtig es ist, an sich und die Ressourcen zu glauben. Liebevoll und tröstend mit sich selbst umzugehen, hat eine positive Wirkung. Sich Mut zu zusprechen, andere um Hilfe zu bitten und eigene regenerative Auszeiten sind für mich relevante Aspekte geworden.
Das Leben hat mir, wie vielen anderen Menschen auf dieser Welt, verschiedene Fragen gestellt. So habe ich überlegt, welche Werte mir bedeutsam sind, und in welche Richtung ich mich dann mit dem Einsatz meiner Möglichkeiten bewegen will und kann.
Die Frage des Sinns stellt sich für mich immer wieder. Rückblickend kann ich einigen Erlebnissen einen Sinn geben. Geholfen hat, in den schwierigen Situationen im „hier und jetzt“ zu bleiben. Mein Handeln richtet sich in der Gegenwart dahingehend aus, mit Sinnorientierung das Bestmögliche zu tun und den zukünftigen Fragen des Lebens zu antworten. Was mich dazu beflügelt, ist die Dankbarkeit für das Gelungene und all die schönen „Dinge“ des Lebens, die ich erlebe. Gerade solch ein Jahresrückblick unter dem Thema „Handeln unter Ungewissheit“ ermöglicht durch die wertschätzende Reflexion einen erlebten Zuwachs an Ressourcen.
All diese Erfahrungen haben mich sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben gestärkt. Denn das Leben in dieser Welt ist unbeständig und komplex, was zu Mehrdeutigkeit und Unsicherheit beiträgt.
So gesehen ist die Überlegung, „wer bin ich, was kann ich, wen kenne ich und was kann ich dann bis zu einem gewissen Punkt tun“, immer wieder nützlich. Insbesondere dann, wenn es um das Handeln unter Ungewissheit geht, egal ob im Privaten oder Beruf. Denn die gewonnenen Erkenntnisse machen es uns leichter, Entscheidungen und Vereinbarungen zu treffen. Die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten erweitern sich. Dadurch können wir uns je nach Anforderungen, gemeinsam oder teils alleine, mit mehr Sicherheitsempfinden in eine Richtung bewegen, ohne sich oder andere „festzunageln“. Oft wünschen wir uns bei schwierigen Herausforderungen eine schnelle Lösung. Doch es gibt nicht immer die ersehnte Lösung. Schon gar nicht die Perfekte!
Das Leben will gelebt werden. Die schönen Momente wollen genossen werden. Die schweren Dinge heißt es anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Das bedeutet, ambivalente Gefühle auszuhalten und immer wieder neu zu beginnen. Loslassen ist ein zentrales Element, damit etwas Neues entstehen kann. Ja sagen zum beständigen Wandel und sich von vergänglichen Dingen zu lösen. Nicht am Erreichten festhalten, sondern Vertrautes und Gewohntes verabschieden, bedeutet loszulassen. Gefühle wie Freude, Glück, Frustration, Trauer, Angst, selbst Wut sind Teil eines Änderungsprozesses. Gerade am Anfang von Veränderungen geht es mehr um ein inneres Zulassen von Ambivalenzen und Unsicherheit als äußeres Handeln.
Das Erleben von Sinn ist trotz widriger Erfahrungen möglich! Hilfreich sind für mich die Fragen: „WOHIN zieht es mich“ und „WOFÜR setze ich meine Kraft und Ressourcen ein“?! Und dabei bitte den Blick sowohl auf sich selbst als auch auf das Außen richten!
Abschließen möchte ich diese Reflexion mit einem Zitat von Václav Havel: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht“. Mit dieser inneren Haltung werde ich gestalterisch in ein ungewisses Jahr 2020 starten …!
Alles Gute für Ihren weiteren Lebensweg und herzliche Grüße,
Birgit Wagner.